Stellen Sie sich vor, Ihre Lieferkette läuft gerade wie ein gut geölter Motor und dann tritt ein Störfall ein, etwa wie ein Schraubenschlüssel, der in das Getriebe gerät. Im schlimmsten Fall kommt Ihr Betrieb völlig zum Erliegen. Aber wenn Sie vorbereitet sind, können Sie Ihr Liefernetzwerk schneller reparieren. Sie könnten sogar Unterbrechungen von vornherein vermeiden.
Was bedeutet Unterbrechung der Lieferkette?
Eine Unterbrechung wird als eine „Störung“ definiert oder als ein Problem, das ein Ereignis, eine Aktivität oder einen Prozess unterbricht. Eine Lieferkettenunterbrechung ist eine Störung im Produktionsfluss von Waren und in der Auslieferung an Kunden. Gewöhnlich spricht man in diesem Zusammenhang vom „gebrochenen Glied einer Kette“, doch die komplexen Liefernetzwerke von heute funktionieren nicht ganz so einfach. Sie gleichen einem Räderwerk in einer Maschine, das nahtlos ineinandergreifen muss. Eine Unterbrechung führt dazu, dass alles stehenbleibt – der sprichwörtliche Schraubenschlüssel im Getriebe.
Was versteht man unter dem Management von Lieferkettenunterbrechungen?
Um Lieferkettenunterbrechungen effektiv zu bewältigen, müssen Sie in der Lage sein, zu reagieren, wenn Störfälle Ihren Betrieb beeinträchtigen. Wichtige Maßnahmen sind:
- Schätzen Sie kritische Ereignisse schnell ein.
- Identifizieren Sie alle Risiken, die bei der Warenlieferung durch ihre Lieferanten entstehen können.
- Bewerten Sie die Rentabilität Ihrer Lieferanten.
- Sichern Sie die Versorgung und stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Kundenverpflichtungen einhalten können.
Insbesondere nach dem Ausbruch des Coronavirus erkennen viele Unternehmen, dass es nicht damit getan ist, die Kosten für den Betrieb der Lieferkette zu optimieren. Unabhängig davon, wie fein eine Maschine eingestellt ist, wird es immer zu Störungen kommen. Das bloße Reagieren auf solche Ereignisse kommt in der Regel um ein Vielfaches teurer zu stehen, als darauf vorbereitet zu sein.
Welches Risiko besteht bei einer Unterbrechung der Lieferkette?
Eine kurze Begriffsklärung: Eine Bedrohung ist ein Ereignis, das Ihr Liefernetzwerk schädigen könnte. Ein Risiko ist der aus der Bedrohung resultierende potenzielle Verlust oder Schaden. In unserem Bild ist der Schraubenschlüssel die Bedrohung. Das Risiko besteht darin, dass der Schraubenschlüssel in die Maschine geraten könnte. Dann würden die Zahnräder blockiert und die Maschine wäre defekt. Das verursacht Kosten, einschließlich der Reparatur der Maschine, verlorener Produktionszeit und so weiter. Um das Risiko einer Lieferkettenunterbrechung zu identifizieren, muss daher ermittelt werden, was in Ihrem Liefernetzwerk schief gehen könnte und wie groß der potenzielle Schadensumfang ist.
Sechs Ursachen für eine Unterbrechung der Lieferkette
Welche Arten von Unterbrechungen der Lieferkette sind denkbar? Manchmal ist die Störung im Unternehmen selbst verursacht worden, zum Beispiel durch einen Maschinenausfall, Produktrückrufe oder einen Wechsel im Management. Andere systemische Bedrohungen resultieren aus externen Einflüssen wie etwa einem Telekommunikations- oder Stromausfall. Dazu kommen sozio-geopolitischen Risiken wie Gesetzesänderungen, Grenzschließungen oder politische Unruhen. Und regelmäßig lösen Naturkatastrophen Störungen aus.
Lieferketten sind in der Regel anfällig für diese sechs Risikokategorien:
- Cyber- und Sicherheit (z.B. Lösegeld, Datendiebstahl)
- Finanzielle und betriebliche Stabilität (z.B. höhere Gewalt, Ertragsaussichten)
- Geopolitische Faktoren (z.B. Unruhen, Zollerhöhungen)
- Vom Menschen verursachte Schäden (einschließlich Brände, Explosionen)
- Naturkatastrophen (extremes Wetter, Erdbeben usw.)
- Reputation und Compliance (z.B. Interessenkonflikte, nachhaltige Beschaffung)
Viele Bedrohungen lassen sich nicht immer so klar kategorisieren. Themen wie Brexit, Rohstoffknappheit und Umweltbelange umfassen mehr als eine Risikokategorie. Die Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, wie sich Bedrohungen global ausbreiten und einen Dominoeffekt auf ganze Volkswirtschaften ausüben können.
Wenn der Warenfluss zum Stillstand kommt, die Produktion gestoppt wird oder die Mitarbeiter zu Hause bleiben müssen, wie während der Coronavirus-Pandemie, kann eine Unterbrechung der Lieferkette das Geschäft schwer schädigen – und letztlich zur Insolvenz führen.
Eine weitere Ursache für Lieferkettenunterbrechungen sind plötzliche, ungeplante Nachfragespitzen oder Last-Minute-Bedarfe. Waren nicht schnell genug liefern zu können ist eine Störung, die viele Unternehmen als besonders schlimm empfinden.
Beispiele für Lieferkettenunterbrechungen
Die während der Coronavirus-Pandemie sprunghaft angestiegene Nachfrage nach bestimmten Gütern liefert unzählige Beispiele für Lieferkettenunterbrechungen und deren Folgen. Wo die Nachfrage nach Schutzausrüstungen und medizinischen Geräten das Angebot überstieg, überboten sich die Krankenhäuser gegenseitig, während die Bevölkerung sich um Händedesinfektionsgel, Masken und Schmerzmittel riss – und auch um Lebensmittelkonserven und Toilettenpapier.
Lockdowns und Beschränkungen sorgten für ein weiteres Beispiel einer Lieferkettenunterbrechung, als die Nachfrage nach bestimmten Gütern und Leistungen – zum Beispiel Restaurantbesuche oder Autokäufe – einbrach. Ein plötzlicher Nachfragerückgang unterbricht immer Lieferketten, da er zu einem Zusammenbruch der Produktionszyklen führen kann.
Exemplarisch für eine Lieferkettenunterbrechung waren Panikkäufe und das Horten von Toilettenpapier zu Beginn der COVID-19-Krise. Papierhersteller, Produkthersteller und Einzelhändler bemühten sich, genügend Toilettenpapier zu produzieren und zu liefern, um die ungewöhnlich hohe Nachfrage zu befriedigen. Wobei die Gesamtauswirkungen der Lieferkettenstörung gering blieben, auch wenn das von der Öffentlichkeit anders wahrgenommen wurde. Zuweilen löste der Anblick leerer Regale bisweilen Ängste bei den Verbrauchern aus, aber die Branche konnte schnell reagieren, und die Engpässe waren meist nur vorübergehend.
In der ersten Hälfte des Jahres 2020 haben die durch die Coronavirus-Pandemie verursachten Lieferkettenstörungen andere Risiken in den Hintergrund gedrängt. Aber es gibt nach wie vor Beispiele für Lieferkettenunterbrechungen, unter anderem infolge von Brexit, Handelskriegen oder Naturkatastrophen, die wahrscheinlich schon relativ bald wieder auf dem Radar der Unternehmen auftauchen werden.
Welche Auswirkungen haben Lieferkettenstörungen?
Die durch die Coronavirus-Pandemie verursachte Lieferkettenunterbrechungen haben weltweit enorme Kosten verursacht – bisher mehrere Billionen Dollar – und das Interesse an Onshoring oder Nearshoring für kritische Branchen neu belebt. In manchen Unternehmen führt eine Lieferkettenunterbrechung auch zu Umsatzverlusten, wenn die Waren nicht rechtzeitig beim Kunden ankommen.
Störungen bei der Auslieferung ziehen noch eine Reihe weiterer Kosten nach sich. Sind beispielsweise Teile nicht verfügbar, sinkt die Produktivität, da Mitarbeiter nicht beschäftigt sind. Auch die Suche nach alternativen Lieferanten und deren Onboarding ist kostspielig. Zudem können Imageschäden entstehen, die Kunden abwandern lassen.
Drei Wege zur Bewältigung von Lieferkettenunterbrechungen
In den meisten Fällen gilt: Je schneller Sie auf Ereignisse reagieren, desto besser können Sie das Risiko einer Lieferkettenunterbrechung steuern. Supply chain risk management software, die auf künstlicher Intelligenz basiert, warnt Sie in Echtzeit vor Störfällen – und zwar oft noch ehe sie Ihr Unternehmen treffen.
Wenn Sie Ihr Liefernetzwerk nach allen Arten von potenziellen Risikofaktoren überwachen, wie zum Beispiel Wettervorhersagen, finanzielle Warnzeichen oder Gewerkschaftsaktionen verfolgen, erkennen Sie Gefahren schon im Vorfeld. Und wenn Sie die sich verändernde Verbraucherstimmung im Blick haben, sind Sie vielleicht der Konkurrenz einen Schritt voraus, wenn die Nachfrage plötzlich anzieht.
Welche Strategien zur Bewältigung von Lieferkettenunterbrechung gibt es? Sie sollten sich auf drei Bereiche konzentrieren:
- Seien Sie risikobewusst und entwickeln Sie präventive Notfallpläne
Dadurch sind Sie flexibel und können bei Unregelmäßigkeiten Ihre Abläufe schnell anpassen. Selbst Business-Continuity-Pläne berücksichtigen gewöhnlich Notfälle erst dann, wenn sie bereits eingetreten sind. Seien Sie risikobewusst und sorgen Sie für Störfälle vor. Dann sind Sie gewappnet, falls – oder besser, wenn – einer Ihrer Schlüssellieferanten betroffen ist.
- Entwickeln Sie Strategien gegen Lieferkettenunterbrechungen
Maßnahmen zur Kostenoptimierung in der Supply Chain stehen naturgemäß häufig im Widerspruch zum Risikomanagement. Kosteneffizienz zu sichern ist nun einmal Aufgabe des Einkaufs. Er kann seine Einsparungsgewinne schützen, indem er durch Vorbereitung auf künftige Störfälle eventuell entstehende Verluste vermeidet und dabei auch schon die Risikokosten berücksichtigt.
Solche Verluste sind in der Regel um ein Vielfaches höher als Investitionen in das Supply-Chain-Risikomanagement. Überdenken Sie Ihre Just-in-Time-Richtlinien und stocken Sie möglicherweise die Lagerbestände auf, um so Risiken zu verringern und schneller reagieren zu können. Bauen Sie mit Geschäftspartnern zusammen ein zuverlässiges Versorgungsnetzwerk auf. Und stellen Sie fest, ob die größten Gefahren von den Lieferanten ausgehen oder von Kunden verursacht werden.
- Vermeiden Sie Lieferkettenunterbrechung von vornherein
In einer Fabrik haben Sie in der Regel Ersatzteile zur Hand, falls eine Maschine ausfallen sollte. Ähnlich können Hersteller auch zusätzliche Bestände für einen Lieferausfall vorhalten. Risiken identifizieren ist das eine. Schauen Sie aber auch auf Schwachstellen – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens – und arbeiten Sie daran, sie zu schließen. Schaffen Sie Transparenz in Ihrem Liefernetzwerk
- Prüfen Sie nochmals Standorte und Rentabilität von Zulieferern
- Diversifizieren Sie Ihre Lieferkette wo immer dies möglich ist
- Überwachen Sie neue und sich abzeichnende Bedrohungen in allen Risikokategorien aktiv
Die Identifizierung potenzieller Bedrohungen, die Bewertung von Risiken und die Minimierung ihrer Auswirkungen gehören zum effektiven Supply Chain Risk Management.
Warum Unterbrechungen Ihre Lieferkette stabiler machen können
Können Störungen etwas Gutes haben? Manchmal schon. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurde die Idee der „disruptiven“ Technologie geboren, eine sehr positive Idee. Sie bezieht sich auf Innovationen, die so wirkungsvoll sind, dass sie den Status quo erschüttern. Die digitale Disruption ermöglicht es beispielsweise Unternehmen, neue Möglichkeiten zu schaffen und zu nutzen. Man kann die Digitalisierung daher als eine disruptive Supply-Chain-Technologie sehen. Und der Einsatz künstlicher Intelligenz, die Unternehmen hilft, Risiken zu identifizieren, zu bewerten und zu minimieren, ein sehr gutes Beispiel für positive Disruption im Supply Chain Management.
riskmethods wurde im Oktober 2022 von Sphera übernommen. Dieser Inhalt erschien ursprünglich auf der riskmethods Website und wurde für sphera.com leicht verändert.